Macht Euch einen gemütlichen 4. Adventssonntag. Ich habe es jedenfalls vor!
Gestern hat es ein wenig geschneit, gerade jetzt fallen auch ein paar einzelne Flöckchen. Die Dächer sehen schwach überzuckert aus, aber ansonsten liegt kein Schnee, außer auf den Bergen.
Gestern Nachmittag hatte ich Kaffee-Besuch. An einem düsteren Tag ist es drinnen bei Kerzenlicht, Kuchen und Plätzchen sehr gemütlich. Heute Nachmittag werde ich das für mich alleine wiederholen (es ist noch Kuchen übrig ;-)) ).
Dazu haben diese Teile aus meiner Sammlung dann ihren großen Auftritt. Warum sollen die schönen Stücke auch immer nur in der Vitrine stehen?
Das ist das letzte Weihnachtskissen, das ich in diesem Jahre genäht habe.
Heute habe ich auch noch eine kleine Weihnachtsgeschichte für Euch. Sie stammt aus dem Büchlein "Abend mit Zimtsternen" von Bernhard Schulz.
"Pfeffernüsse soviel ihr wollt"
Wenn die ersten Schneeflocken fallen, sie dürfen getrost wässrig sein und sich in Nässe auflösen, erinnere ich mich mit Vergnügen an ein Ereignis, das sich in meinem Elternhaus abgespielt hat und das mit Weihnachten zu tun hat. Es handelt sich dabei um genau einhundert Pfund Pfeffernüsse.
Ich muss vorausschicken, daß mein Vater jener Typ von Versorger war, der einfach nicht genügend Widerstandskraft besaß, Waren, die ihm durch Offerten angeboten wurden, nicht zu bestellen. Wir wohnten auf dem Lande und waren für die Post gerade noch erreichbar. Es gab im Dorf kein gut assortiertes Kaufhaus. Hier lag der Grund, warum diese Offerten auf schwache Naturen einen starken Reiz auszuüben vermochen, und mein Vater war ein schwacher Vater.
Mutter war strikt dagegen, Schulden zu machen und Vater schickte seine Liste in aller Heimlichkeit ab. Das Bestellen wurde ihm ja so leicht gemacht. Kleingedruckt versicherte die Firma, daß sie bereit sei, die angeforderte Ware nicht nur ein einziges Mal, sondern sogar monatlich und auf besonderen Wunsch wöchentlich zu liefern, und da mußte mahn höllisch auf Draht sein, um nicht in des Teufels Küche zu geraten, und genau dort landete mein Vater.
Ohne einen Schritt mehr als den zum Briefkasten getan zu haben, wurden ihm zu seiner eigenen Verblüffung wöchentlich acht Pfund Margarine, sechs Pfund Tilsiter Käse, ein Eimerchen Erdbeermarmelade, ein Eimerchen Heidehonig, ein Kanister Sonnenblumenöl, drei Kisten Zigarren, ein Sortiment Fischkonsereven, zwei Kilo Kaffee, unkontrollierbare Mengen an Tee, Schokolade, Gebäck, Haarwasser, Zahnpasta, Malzbonbons, Badesalz, Hefe und Saucenpulver geliefert.
Am meisten wunderten wir uns über das Saucenpulver, für das niemand in der Familie Verwendung hatte. "Ich dachte, du könntest es gebrauchen", sagte Vater und meine Mutter erwiderte, er solle gefälligst das Denken sein lassen, es käme nichts als Saucenpulver dabei heraus.
Für meine Mutter war es hinterher schwierig und zeitraubend, die Lieferanten zu überzeugen, daß es jetzt genug sei und daß sie mit Zahnpasta für die kommenden hundert Jahre eingedeckt sei. Sie setzte sich hin und schrieb regelrechte Bettelbriefe, in denen sie ihre Not offenbarte und darum bat, in Zukunft mit Tilsiter Käse verschont zu werden.
Dann ereignete sich die Geschichte mit den Pfeffernüssen. Eine Nürnberger Lebkuchenfabrik hatte statt der bestellten 5 Kilo Pfeffernüsse, sage und schreibe 50 Kilo auf den Weg gebracht. Sie hatten an Vaters 5 eine Null gehängt, sie hatten es ganz einfach mal versucht, hundert Pfund von ihrem wohlduftenden Backerzeugnis an diesen Kunden in der Provinz loszuwerden. Weiß der Himmel, was sich die Lebkuchenbäcker in Nürnberg dabei gedacht hatten.
Heute weiß ich, und mein Vater hat es ebenfalls erfahren, daß einhundert Pfund Pfeffernüsse unter dem Weihnachtsbaum imstande sind, eine achtköpfige Familie auszurotten. Einhundert Pfund Pfeffernüsse bedeuten nicht Frieden auf Erden und unter gar keinen Umständen den Menschen ein Wohlgefallen. Was da süß und pfeffrig über uns kam, war das geradezu blödsinnige Gegenteil von Mangel. Es war die rauhe Menge, von der immer schon die Rede ging. Vater mochte es den Bäckern in Nürnberg nicht antun, ihnen die neunzig Pfund Pfeffernüsse zurückzuschicken, die er nicht bestellt hatte. Er war sicher, daß die Nürnberger Lebkuchenindustrie in solchen Dingen keinen Spaß verstehen würde.
Vater stand neben den beiden riesigen Kartons mit Pfeffernüssen. "Kinder, wißt ihr wars" sagte er, "ihr dürft davon essen, soviel ihr wollt!" Er machte einen Karton auf und schob sich eines von diesen weißen Dingern in den Mund, um uns auf den Geschmack zu bringen.
"Das ist Ware", sagte er anerkennend.
In dieser Minute begann für seine Familie ein viele Monate währendes Leben voller Qual und Pfeffernüsse. Zum Frühstück, zum Mittagessen, zum Nachmittagskaffee und zum Abendbrot gab es Pfeffernüsse. Pfeffernüsse in den Pudding und in die Milchsuppe. Pfeffernüsse in den Schulranzen und in den Wanderrucksack. Pfeffernüsse ins grüne Nest des Osterhasen und anstelle von Taschengeld für den Jahrmarikt.
Meine Mutter machte Pfeffernüsse mit Himbeersaft und mit Quark an, und einmal versuchte sie es mit Maggi. Sie rieb Pfeffernüsse auf der Reibe und trieb Pfeffernüsse durch den Fleischwolf. Kein Mensch auf Erden außer meiner Mutter weiß, daß ein Zentner Pfeffernüsse in der Küche schlimmer ist, als überhaupt nichts zu essen.
In ihrer Verzweiflung hat sie den Rest zu Hühnerfutter verkocht und die Eier schmeckten eine Zeitlang nicht wie Eier, sondern wie Pfeffernüsse.